Wie wir bei Schönfeld Unternehmensberatung (SUB) Unternehmen und Organisationen betrachten. Warum Unternehmen nicht kompliziert sondern komplex sind.

Zu folgendem Gedankenexperiment möchte ich Sie einladen: Stellen Sie sich eine vollautomatische Kaffeemaschine vor. Die Kaffeemaschine macht hervorragenden Kaffee, allerdings ist die Auswahl für unsere heutige Zeit recht bescheiden.

Die Kaffeemaschine kann nur 3 Getränke ausgeben: a) Schwarzen Kaffee, b) heißes Wasser und c) warme Milch. Für jedes Getränk gibt es einen entsprechenden Knopf an der Maschine, allerdings sind die Knöpfe nicht beschriftet. Sie haben nun Lust auf einen Kaffee und probieren einfach mal den Knopf ganz links aus. Die Maschine fängt an Geräusche zu machen und in den Becher fließt warme Milch (c). Nicht der Kaffee den Sie wollten, also drücken Sie den Knopf in der Mitte. Die Maschine beginnt wieder zu arbeiten und in den neuen Becher fließt jetzt heißes Wasser (b). Ein wenig fade, also starten Sie den dritten Versuch und drücken den Knopf ganz rechts. Endlich fließt schwarzer Kaffee (a) aus der Maschine.

Leider haben Sie vergessen einen neuen Becher unterzustellen und deshalb mischt sich der Kaffee mit dem heißen Wasser. Also starten Sie einen 4. und finalen Anlauf. Neuer Becher, den Knopf ganz rechts gedrückt und, plötzlich, kommt warme Milch (c) aus der Maschine. Was ist passiert? Vielleicht haben Sie versehentlich nicht den Knopf ganz rechts gedrückt, also probieren Sie nochmals den Knopf ganz rechts. Aus der Kaffeemaschine kommt nun heißes Wasser (b). Das Procedere geht nun noch etliche Male so weiter und es scheint, dass egal was Sie drücken, das Ergebnis rein zufällig bleibt.

Eine mögliche Schlussfolgerung wäre nun, dass die Maschine kaputt ist. Dafür müssten wir in die Maschine schauen können, um die ablaufenden Mechanismen zu untersuchen. In unserem Gedankenexperiment haben wir aber keinen Zugang zum Inneren der Kaffeemaschine, sie bleibt also eine Blackbox. Für uns bedeutet das also, dass wir die Beziehung zwischen Input (welchen Knopf drücke ich) und Output (welche Flüssigkeit kommt aus der Maschine) nicht vorhersagen können.

In Anlehnung an den Mitbegründer der Kybernetik Heinz von Förster (Simon, 1988) stellt unsere Kaffeemaschine also eine nichttriviale Maschine dar. Von einer trivialen Maschine ist im Gegensatz zur nichttrivialen Maschine die Rede, wenn es eine eindeutige Beziehung zwischen Input und Output gibt. Die Prozesse die zwischen Input und Output stattfinden können noch so kompliziert sein, wie z.B. bei einer Schweizer Präzisionsuhr, am Ende jedoch gibt es immer ein klares Ergebnis, welches in einem berechenbaren Zusammenhang zu dem Input steht.

Für die reale Welt lassen sich, vorsichtig formuliert, nur sehr wenige bis überhaupt keine Beispiele für Maschinen finden, bei denen die Ursache-Wirkung Beziehung nicht in eindeutiger Weise zu beschreiben und vorherzusagen ist. Die Beschreibung kann mitunter sehr große Anstrengungen und ein Verständnis für höchstkomplizierte Zusammenhänge erfordern (denken Sie an den Teilchenbeschleuniger CERN), aber da eine Maschine immer erschaffen wird, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen, gibt es auch immer eine eindeutige Beziehung zwischen Input und Output.

Das heißt, in der realen Welt sind alle Maschinen trivial. Das heißt, in der realen Welt sind alle Maschinen beherrschbar. Ausgehend vom tradierten tayloristischem Verständnis, dass ein Unternehmen ebenfalls als eine Maschine betrachtet werden sollte, müsste dies auch bedeuten, dass Unternehmen trivial und damit beherrschbar sind. In der Realität sehen wir jedoch immer wieder, dass das Gegenteil der Fall ist.

Wir von der Schönfeld Unternehmensberatung verstehen wir Organisationen wie bspw. Wirtschaftsunternehmen als lebendige, bzw. soziale Systeme. Nach der Systemtheorie von Luhmann (1997) sind lebendige Systeme komplex. Das heißt, sie sind nicht trivial. Es besteht also keine eindeutig vorhersagbarer Urasche-Wirkung Beziehung. Zusätzlich verändern sich komplexe Systeme. Das macht es, anders als bei komplizierten Systemen (z.B. CERN),  unmöglich auch unter größter Anstrengung und Verständnis für höchstkomplizierte Zusammenhänge eine über die Zeit beständige und eindeutige Input-Output Beziehung vorherzusagen.

Nehmen wir an unsere imaginäre Kaffeemaschine wäre nun also auch noch komplex und nicht nur nichttrivial. Das hätte zur Folge, dass selbst wenn wir ins Innere der Maschine Einsicht hätten und wir alle wirkenden Mechanismen erkannt und beschrieben hätten (in anderen Worten die Maschine trivialisiert hätten), würden wir nur solange eine gültige Vorhersage über die Input-Output Beziehung treffen könnten, bis die nächste Veränderung in der Maschine, respektive dem System geschieht.

Lebende und damit komplexe Systeme wie bspw. ein Unternehmen ändern sich ständig. Es lässt sich auch kein Deckel abnehmen und eins zu eins die existierenden Mechanismen abbilden. Damit sind und werden Unternehmen niemals beherrschbar sein. Bei der systemischen Unternehmensberatung betrachten jede Organisation als lebendiges System. Wir betrachten ein Unternehmen also eher als ein Biotop und nicht als eine komplizierte aber triviale Maschine. Allein durch diesen Perspektivwechsel ergeben sich andere Fragen und Möglichkeiten zur Führung und Gestaltung eines Unternehmens.

Die systemische Perspektive auf eine Organisation ist gewöhnungsbedürftig und erzeugt häufig automatisch Widerstände. Zum Einen, weil sie dem tradierten tayloristischen Verständnis von Management widerspricht und zum Zweiten, weil wir dadurch die Illusion von Beherrschbarkeit abgeben müssen.

Nichtsdestotrotz werden Führungskräfte und Manager dadurch nicht machtlos und überflüssig. Denn was nützt die Illusion der Beherrschbarkeit über ein Unternehmen, wenn es doch immer anders kommt als man denkt. Schlimmer noch, wenn der Glaube an die mögliche Beherrschbarkeit eines lebendigen Systems die Grundlage für das Verständnis von Führung ist, dann werden Entscheidungen immer auf der Grundlage von trügerischen Vorhersagen getroffen.

Das heißt, ich rechne immer mit einen Kaffee, wenn ich nur fest genug auf den „richtigen“ Knopf drücke. Im Gegenteil dazu ermöglicht die systemische und realitätsnähere Betrachtungsweise die komplexen und oft nicht vorhersagbaren Dynamiken zu berücksichtigen und so in die Führung des Unternehmens einzuplanen. Dass heißt,  ich bekomme auch nicht immer einen Kaffee wenn ich möchte, aber ich rechne damit und plane so schon eine Verwendung für heißes Wasser und warme Milch mit ein.

In anderen Worten, die systemische Perspektive bietet einen Ausgangspunkt für effektive Führung innerhalb einer Organisation und im Umgang mit Komplexität. Sie erlaubt durch das eigene Handeln im Unternehmen richtungsweisende Impulse zu setzen. Wie diese Form der Führung funktioniert und welche Methoden dafür in der Toolbox zur Verfügung stehen, besprechen wir im nächsten Blogpost.

Literatur:

Luhmann, N. (1997). Die Gesellschaft der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag: Frankfurt a. M.

Simon, F. B. (1988). Lebende Systeme. Wirklichkeitskonstruktionen in der systemischen Therapie. Springer Verlag: Heidelberg-Berlin-New York.