Wie werden mein Team und ich wieder Entscheidungsfähig? Wie treffen wir Entscheidungen in unsicheren Zeiten? Wie kommen wir schneller zu Entscheidungen und erreichen mehr Commitment bei den Mitarbeitern? Die Antwort ist der integrative Entscheidungsweg!

Mehr und mehr unsrer Kunden haben heutzutage das Gefühl von der Vielzahl der Entscheidungen, die sie treffen müssen, überfordert oder gar gelähmt zu werden. Das ist gar nicht verwunderlich. Die Veränderungen die heutzutage auf ein Unternehmen, eine Abteilung oder ein Team einwirken sind weniger häufig ignorierbar als früher. Das liegt an der Enge der Märkte, man kann nicht mehr so einfach ausweichen und muss sich bspw. der neuen Technologie und damit den Kundenansprüchen stellen. Gerade im Rahmen der Industrie 4.0, also der digitalen Revolution kommen etliche Veränderungen und damit Entscheidungen auf die Unternehmen zu. All diese basieren auf Unsicherheit, denn jedes Unternehmen macht die Erfahrung zum ersten Mal. Da dies aber die Natur von Entscheidungen ist, ist dies gar nicht so entscheidend, bzw. das Entscheidende.

Der Unterschied zwischen Entscheidung und Schlussfolgerung

Entscheidungen sind per Definition eine Wahl aus mindestens 2 Optionen, wobei die Konsequenz der Wahl nicht mit 100% Wahrscheinlichkeit vorhersagbar ist. Wäre sie dies, wäre es eine Schlussfolgerung und keine Entscheidung. Das gilt sogar für die Menüwahl im Restaurant. Wenn ich wüsste nach welchem Gericht ich mich nach dem Verzehr am besten fühlen würde, dann bräuchte ich mich nicht entscheiden.

Es gibt 4 Arten und Weisen der Entscheidungsfindung – Vorteile & Nachteile

1. Autoritär/Einzelentscheid

Die oftmals schnellste Form eine Entscheidung herbeizuführen. Der Vorgesetzte entscheidet. Der Nachteil kann sein, dass die Mitarbeiter nicht hinter der Entscheidung stehen und daher die Entscheidung nur schleppend oder gar nicht umgesetzt wird. Um dies zu vermeiden, hilft es, die Entscheidungsfindung so transparent wie möglich zu machen und zu erklären, warum es notwendig war, schnell, zu diesem Zeitpunkt, zu einer Entscheidung zu kommen.

2. Konsensentscheid

Die Entscheidung gilt erst als getroffen, wenn alle Beteiligten einstimmig hinter dem Entscheid stehen. Dies kann zu gefühlten endlosen Diskussionen führen und ganze Organisationen lahmlegen. Wenn die Entscheidung dann allerdings getroffen wurde, stehen vermutlich die meisten Beteiligten hinter der Entscheidung.

3. Demokratisch/Mehrheitsentscheid

langsamer als der Einzelentscheid, aber oft schneller als der Konsensentscheid. Durch die Abstimmung nehme ich die Mehrheit der Beteiligten bei der Entscheidung mit. Allerdings nicht alle und es zeigt sich auch, das überstimmt zu werden, die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, um verstärkt in die Opposition zu gehen. Dies kann schnell zu Lagerbildung in Unternehmen führen.

4. Konsententscheidung

Anders als beim Konsens, gilt bei dieser Form der Entscheidungsfindung eine Entscheidung als beschlossen, wenn es keinen Einwand mehr gibt. Es müssen nicht alle zustimmen, aber solange kein Einwand vorgetragen wird, bekennen sich alle zu der getroffenen Entscheidung. Auf diesem Wege hat jeder die Möglichkeit, sich an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, ohne dass es zu endlosen Diskussionen kommt oder Entscheidungen aus persönlichen Gründen oder Machtinteressen blockiert werden.

Wie eine Konsententscheidung getroffen werden kann, zeigen wir am Prozess des integrativen Entscheidungsweges. Der integrative Entscheidungsweg ist der Standard-Prozess zur Entscheidungsfindung in holokratisch organisierten Unternehmen (Robertson, 2015) und folgt einem klaren und strengen Ablauf.

Der integrative Entscheidungsweg- Anleitung

1. Entscheidungsvorlage – Der oder diejenige, die etwas ändern möchte (vermutlich, weil die aktuelle Situation eine Spannung aufweist) trägt kurz die wahrgenommene Situation vor und formuliert anschließend die Entscheidungsvorlage.

2. Verständnisfragen – Alle Anwesenden können Verständnisfragen stellen. Diskussionen sind nicht erlaubt. Wenn der Entscheidungsvorlageneinbringer keine Antwort auf die Frage hat, ist das okay und deckt möglicherweise Lücken auf, die es letztendlich für eine gute Entscheidung noch zu schließen gilt. Falls mit Moderator gearbeitet wird, muss dieser besonders darauf achten, dass es tatsächlich Verständnisfragen sind und keine versteckten Alternativvorschläge oder Gegenargumente.

3. Resonanzrunde – Wenn es keine Fragen mehr gibt, geben alle Anwesenden (außer der Entscheidungsvorlageneinbringer) eine kurze Rückmeldung darüber, was sie gerade zu dem Thema für sich Relevantes denken. Keine Diskussion, kein Dialog. Nur eine kurze Aussprache.

4. Anpassungsrunde – In dieser Runde hat der Entscheidungsvorlageneinbringer die Möglichkeit seinen Vorschlag nochmals anzupassen. So hat er die Möglichkeit, Erkenntnisse aus den vorangegangenen Runde zu integrieren.

5. Einwandrunde – In dieser Runde ist die Frage leitend, ob der (ggf. angepasste) Vorschlag der gemeinsamen Arbeit schaden oder diese zurückwerfen könnte. Sobald jemand diese Frage für sich mit ja beantwortet, kann er seinen Einwand formulieren. Die Einwände werden gesammelt und es wird kurz überprüft, ob sie der Tatsache entsprechen. Sie werden nicht diskutiert. Gibt es keine Einwände, gilt der Vorschlag als angenommen.

6. Integrationsrunde – In dieser Runde wird Einwand für Einwand besprochen. Hauptsächlich sprechen derjenige, der den Einwand gebracht hat und derjenige, der den Entscheidungsvorschlag eingebracht hat. Die anderen können aber helfen. Ziel ist es, eine Entscheidung zu finden, die weiterhin das ursprünglich Problem (die wahrgenommene Spannung) löst, aber den Einwand berücksichtig und auflöst (nicht ignoriert oder unterdrückt). Diese Runde geht solange, bis es keine Einwände mehr gibt. Dann gilt die Entscheidung als getroffen.

Integrativer Entscheidungsweg – Einführung in die Praxis

Aus unseren Erfahrungen mit der Einführung dieses Verfahrens, wissen wir, dass der integrative Entscheidungsweg zu Beginn gewöhnungsbedürftig ist. Besonders das klare Einhalten der Schritte und die Vermeidung von Diskussionen in den ersten Runden braucht Übung. Da bietet es sich an, mit einem Moderator zu arbeiten. Nach einiger Übung und den ersten positiven Erfahrungen, kann aber das Team auch die Moderationsfunktion übernehmen. Im Nachgang bekommen wir immer wieder die Rückmeldung, dass die Teams besonders zufrieden mit der Vermeidung der Ping-Pong Diskussionen sind. Ein weiterer Punkt ist, dass Entscheidungen nicht zu stark durch Kompromisse verwässert werden und somit die Energie für die Umsetzung erhalten bleibt.

Autor – Dr. Philipp Philippen