von Marie Hopf und Sabine Riedel-Schönfeld

Lust an Lern- und Entwicklungszielen innerhalb eines Praktikums

Momentan absolviert unsere Praktikantin Marie im Rahmen ihres Psychologiestudiums ein 6-monatiges Praktikum bei Schönfeld Unternehmensberatung. Als Marie im September 2017 begann, haben wir im Beraterstaff nach der ersten Orientierungsphase entsprechend unserer agilen Struktur mittels eines Brainstormings alle Aufgaben und Verantwortungen der BeraterInnen bei SUB zusammengetragen. Es war uns wichtig, nicht Aufgaben und Verantwortungen für Marie zu definieren und zu delegieren, sondern, dass sie sich anhand ihrer selbst formulierten Lern- und Entwicklungsziele die für sie wichtigen Tätigkeiten auswählt. Marie hat für sich folgende Kernthemen herauskristallisiert: Da sie sich sehr für das Thema Organisationsentwicklung/Organisationspsychologie interessiert, war es ihr wichtig zu erfahren welche Organisationsstrukturen es gibt und was Organisationsmitglieder motiviert oder auch demotiviert. Wichtig für Marie ist es, Wirkmechanismen von Interventionen in Organisationen beobachten zu können und zu lernen, welche in der Beratung geeignet sind um dysfunktionale Strukturen und Muster in Unternehmen zu verändern. Sie möchte erfassen, welche Dimensionen Organisationskulturen prägen und wie diese im positiven Sinne zu gestalten sind. Ein weiteres Kernthema für Marie ist, wahrzunehmen wie Mitarbeiterführung praktiziert wird und welche Wirkung dies auf die Motivation hat. Ihr Wunsch ist es, die beschriebenen Themen mit den Inhalten ihres Studiums abzugleichen, um somit Theorie und daraus gelebte Praxis zusammenzuführen. So haben wir gemeinsam erarbeitet, dass Marie in Workshops hospitieren wird und ihre Wahrnehmungen, Beobachtungen und Resonanzen zur Verfügung stellt. In der internen regelmäßigen Staffarbeit zu den Prozessen, die wir begleiten, analysiert Marie mit uns, bildet Hypothesen, erarbeitet mit uns Changearchitekturen und Workshopdesigns.

Des Weiteren möchte Marie auch die Aufgabe mitübernehmen über ausgewählte Themen in Form von Artikeln zu berichten. So hat sich Marie ihrem Interessengebiet, der Motivation von Menschen, gewidmet. In ihrem Text „Lust an Leistung“ hat sie sich an dem gleichnamigen Buch von Felix von Cube und an dem Buch „Flow“ von Mihaly Csikszentmihalyi orientiert. Im Folgenden nun der entstandene Artikel:

Lust an Leistung

Der Mensch versucht in seinem Leben Lust zu steigern und Unlust zu vermeiden. Aus der Sicht von Felix von Cube, der das Buch „Lust an Leistung“ verfasst hat, wird Arbeit heutzutage oftmals als etwas Negatives gesehen. Es bedeutet Anstrengung, ist wenig bequem, beinhaltet keinerlei Lust und wird deshalb vermieden. Der Mensch bewegt sich nur, wenn er ein Motiv hat und die menschlichen Motive liegen im Triebsystem.

Hinter der Lust an Leistung stehen ebenfalls verschiedene Triebmotive. Ein grundlegender Leistungsmotor der Menschen ist der Sicherheitstrieb oder, um es anders und aus meiner Sicht unmissverständlicher auszudrücken, der „Entdeckertrieb“. Er beschreibt den Reiz des Neuen und den Drang die Unsicherheit, die davon ausgeht, in Sicherheit zu verwandeln, das Unbekannte in Bekanntes. Das Bestehen von Herausforderungen, das Lösen von Problemen und das Bewältigen von Risiken befriedigt den Sicherheitstrieb und resultiert in Flow. Flow beschreibt den Zustand, in dem man etwas um der Sache selbst willen tut und ganz in der Arbeit aufgeht („Flow“ von Mihaly Csikszentmihalyi, 1999).

Ein weiteres Triebmotiv, das hinter Lust an Leistung steckt, ist Aggression. Die Aggression beschreibt den Trieb zum Sieg, zu Macht und Rang. Dafür ist es nötig, Leistung zu erbringen. Dies ist mit Anstrengung verbunden, wird jedoch mit sozialer Anerkennung belohnt. Indem Rangordnungen in Gemeinschaften entsprechend der Leistung der Einzelnen festgelegt werden, gelangen die Fähigsten an die Spitze. So können diese ihr Potential voll ausschöpfen und die Gesamtleistung und damit auch die Gesamtfitness optimieren.

Das dritte Triebmotiv, das Cube nennt, ist Bindung. Sie entsteht, wenn die Leistung des Einzelnen zum gemeinschaftlichen Handeln beiträgt und so ein Selektionsvorteil für die Gemeinschaft entsteht.

Aus diesen grundlegenden Trieben heraus, lassen sich, wie Cube es nennt, „Naturgesetze der Führung“ ableiten. Diese schaffen zum einen Verständnis für die theoretischen Hintergründe von guter Führung und können zum anderen eine Art Handlungsempfehlung für die Führungs-Praxis darstellen.

Das erste von fünf Naturgesetzen der Führung besagt, dass es zunächst wichtig ist für die Mitarbeiter Flow in ihrer Arbeit erlebbar zu machen. Cube’s Meinung nach resultiert die Verbindung von Arbeit mit Lust im Flow. Dafür ist es nötig, dass die Mitarbeiter immer neue Probleme zu lösen haben und sich neuen Herausforderungen stellen. Die Schwierigkeit für die Führungskraft besteht hierbei für jeden Mitarbeiter die angemessene Herausforderung zu finden. Flow entsteht, wenn die Herausforderung der Qualifikation entspricht. Wird der Mitarbeiter mit zu großen Herausforderungen konfrontiert, resultiert daraus Angst. Wird er zu wenig herausfordert, langweilt er sich. Es ist also nötig die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeiter zu kennen, um die Herausforderungen individuell anpassen zu können. Die Mitarbeiter sollten außerdem die Möglichkeit haben eigenverantwortlich arbeiten zu können und Freiräume für Kreativität zu haben.

Zum Zweiten ist die Anerkennung der Leistung essentiell. Anerkennung befriedigt den konstruktiven Aggressionstrieb (Trieb zum Sieg, Macht, Rang, Anerkennung, Privilegien, …) und verhindert destruktive Aggression, wie Mobbing oder Verweigerung. Laut Cube ist „Anerkennung für Leistung […] die humanste Form aggressiver Triebbefriedigung“. In diesem Kontext bedeutet Führen das Geben oder Versagen von Anerkennung. Privilegien, Prämien, Auszeichnungen, persönliches Lob oder auch Flow durch schwierigere Aufgaben, größere Freiräume, mehr Verantwortung, etc. können eine Anerkennung der Arbeit bedeuten. Christian Elger stellt in seinem Buch „Neuroleadership“ fest, dass 90% aller Führungskräfte überzeugt sind durch Anerkennung die Leistung der Mitarbeiter maßgeblich steigern zu können. Jedoch fühlen sich lediglich 60% der Arbeitsnehmer in ihrer Leistung gewürdigt. Diese Diskrepanz verdeutlicht die Notwendigkeit Anerkennung von Leistung zu verstärken. Auch ist es wichtig, dass Anerkennung wiederholt und regelmäßig ausgedrückt wird, da im Belohnungszentrum des Gehirns auch bei kontinuierlicher Stimulation keine Habituation eintritt.

Das dritte Naturgesetz der Führung bezieht sich auf die Herstellung von Bindung. In Unternehmen besteht Bindung nicht natürlicherweise, wie beispielsweise in Familien. Deshalb muss sie erst hergestellt werden. Dies kann durch gemeinsames Handeln erreicht werden. So entsteht zum einen eine persönliche Bindung am Arbeitsplatz und zum anderen Gruppenbildung, die Identifikation mit der Gesamtsozietät. Ein wichtiges Kriterium für die Gruppenbildung ist die Arbeitsteilung. Die Mitarbeiter erfüllen dabei je nach persönlichen Stärken selbstorganisiert ihre Aufgaben. Die Aufgabe der Führung besteht dann in der Koordination der Einzel- zur Gruppenleistung. Durch Herausforderungen, die die Gruppe in Zusammenarbeit bewältigt, wird die Gruppenidentifikation zusätzlich verstärkt.

Die vierte Führungsaufgabe liegt in der Führung der Gesamtsozietät, in der Optimierung des gemeinsamen Handelns. Konkret bedeutet dies, Mitarbeiter entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einzusetzen, Ziele zu setzen, Chancen zu ergreifen und Wagnisse einzugehen; kurz: zu handeln. Auch gilt es sozietäre Tugenden zu bewahren, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Dies ist zum einen die Zuverlässigkeit jedes Mitglieds einer Gruppe. Auch die Wahrhaftigkeit ist eine zentrale Tugend, die das Fortbestehen einer Sozietät determiniert. In diesem Fall ist die Wahrhaftigkeit der Informationsweitergabe und damit eine zuverlässige Kommunikation gemeint. Die dritte sozietäre Tugend ist die Gerechtigkeit. Um die Motivation der Einzelnen im Rang aufzusteigen, zu bewahren, ist es wichtig, dass dies in einer gerechten Weise geschieht. Diesem Ziel dienlich sind objektive Leistungskriterien, die es den qualifiziertesten Mitarbeitern möglich machen, die höchsten Positionen zu erreichen. So wird die, im evolutionären Sinne gesprochen, Gesamtfitness der Gruppe maximal.

Das fünfte und letzte Naturgesetz der Führung verlangt nach einer Führungskultur und einer Führungsethik. Es betont die Wichtigkeit des verantwortlichen Handelns. Dies inkludiert sowohl die Verantwortung innerhalb des Unternehmens den Mitarbeitern gegenüber, wie auch die Verantwortung, die die Führung nach außen hin gegenüber der Umwelt und anderen Sozietäten gegenüber hat. Dieser Grundsatz übersteigt jedoch den Rahmen der im Führungskontext formulierten Naturgesetze. Cube’s Appell an Ethik und Verantwortung richtet sich nicht nur an Führungskräfte, sondern gilt für den Menschen allgemein.

Ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, was die Menschen in ihrem Arbeitskontext antreibt, bedeutet auch biologische Hintergründe zu beachten. Die beschriebenen Triebe entsprechen grundlegenden Motiven der Menschen, was deren Relevanz zusätzlich betont. Die daraus abgeleiteten Führungsaufgaben zeigen auf, wie auf den Sicherheits-, Aggressions- und Bindungstrieb eingegangen werden kann, um sowohl die Zufriedenheit der Mitarbeiter, als auch die maximale Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten.

Cubes Lust an Leistung, Agilität und Selbststeuerung

Die Bücher von Felix von Cube und Mihaly Csikszentmihalyi zählen nicht gerade zu den Neuerscheinungen. So stellt sich die Frage, wie sich die Ansätze mit dem heutigen Trend zur Agilität und Selbststeuerung zusammenbringen lassen? Felix von Cube greift sehr stark das Thema „Flow“ auf. Flow bedeutet das tun, was jemand aus sich heraus tun möchte, was also intrinsisch motiviert ist. Er postuliert, dass auf der einen Seite ein Flowgefühl als Lust am Tun und damit ein Ansporn für Leistung darstellt. Auf der anderen Seite ist es wichtig, nicht in immer wiederkehrenden Routinen zu verharren. Dazu gehört, dass Organisationsmitglieder nicht in einmal definierten Stellenbeschreibungen gefangen sind, sondern, dass sich ihre Aufgaben und damit auch die Herausforderungen im Unternehmenskontext evolutionär anpassen. Er beschreibt, dass es eine Balance aus immer wieder neuen Herausforderungen in Form von neuen Aufgaben und Lernfeldern geben sollte und einen Rahmen, der Stabilität und Sicherheit für die Organisationsmitglieder gewährleistet. Interessant zu lesen war, dass Cube auf der einen Seite auch das Thema der Selbstorganisation aufgreift und auf der anderen Seite beschreibt, dass die Auswahl der Aufgaben, Herausforderungen und damit Lern- und Entwicklungszielen für die Mitarbeiter von den Führungskräften vorgenommen wird. Dies vermittelt eher ein Führungsbild nach tayloristischer Prägung als nach einem Bild, in der Führungskräfte als Facilitator oder interne Berater fungieren.

Im Zusammenhang mit den Themen Agilität, Selbststeuerung und der Fähigkeit von Organisationen sich in heutigen volatilen Zeiten immer wieder den neuen Gegebenheiten in Form der Selbsterneuerung anzupassen, wird besonders das Thema „Purpose“ hervorgehoben. Auch Cube und Csikszentmihalyi beschreiben wie maßgeblich das Thema Sinn und Sinnhaftigkeit für Menschen in Unternehmen ist. So geht es dabei auf der einen Seite um das, was die Organisation tut, bzw., welche Fußabdrücke sie mit ihrem Schaffen in positiver Form für die Gesellschaft hinterlassen will. Auf der anderen Seite geht es um Bindung und Identität, die durch das gemeinsame Handeln, orientiert am Sinn geschaffen wird. Cube beschreibt auch hier die Wichtigkeit des gemeinsamen Handelns in Teams. Dies soll jedoch nicht vorgegeben werden, sondern in Form von selbstorganisiertem Tun stattfinden. Die Frage, wie dies stattfinden soll bzw. was die Aufgabe und Verantwortungen von Führungskräften ist, bleibt an dieser Stelle unbeantwortet.

Formen der Agilität in Organisationen und Frameworks wie Scrum gab es in der ausformulierten Form, wie sie heute beschrieben sind, zu der Zeit, als das Buch „Lust an Leistung“ in den 90ern veröffentlicht wurde, noch nicht ausreichend. Sehr wohl aber gab es den Begriff der Selbststeuerung in Organisationen und den Vergleich des Biotops von Organisationen, wie beispielsweise von Alexander Exner, Hella Exner und Gerhard Hochreiter in „Selbststeuerung von Organisationen“ beschrieben. Viele systemische Ansätze und damit agile und selbststeuernde Vorgehensweisen lassen sich schon seit Jahrzenten in der Literatur nachlesen.

Manchmal erscheint es mir so, als wäre erst in unserer heutigen VUCA World die Zeit reif, diese immer noch revolutionären Ansätze und Methoden tatsächlich zu leben. Sie könnten in der Organisationssteuerung und der Mitarbeiterführung zu einem Paradigmenwechsel führen. Auch die Art, wie wirtschaftlich gehandelt wird, könnte dadurch verändert werden. Organisationen haben einen enormen Einfluss darauf, wie mit Ressourcen umgegangen wird und nach welchem Menschenbild gehandelt wird. So nehmen sie auch Einfluss auf unseren Umgang mit der Umwelt, ausbeuterisch oder schonend, und bestimmen in welchen Zustand wir letztlich unsere Erde bringen.

In einer agilen Organisation, besteht so die Chance, verbunden mit einem dementsprechend agilen Mindset, ein anderes Bewusstsein zu schaffen. Dies steht im Einklang mit dem fünften, von Cube formulierten Naturgesetz der Führung, das sich auf die Führungsethik bezieht. Auf diese Art könnten Unternehmen einen positiven Einfluss auf unsere durch Ressourcenverschwendung gezeichnete Welt nehmen.

Literatur:

  • Von Cube, Lust an Leistung – die Naturgesetze der Führung, Piper Verlag, 1998, München
  • M. Csikszentmihalyi, Flow – the Psychology of Optimal Experience, Hawper & Row, New York 1990
  • E. Elger, Neuroleadership – Erkenntnisse der Hirnforschung zur Führung von Mitarbeitern, Haufe Verlag, Freiburg 2013
  • Exner, Hochhreiter, Selbstteuerung von Unternehmen, Campus, Frankfurt/Main 2009
  • Ruwix is a collection of online puzzle programs and tutorials. Discover the secret of your unsolved Rubix Cube.