Die Reise zu sich selbst um selbst und bewusst steuern zu können

Organisationen setzen heute vermehrt auf Agilität und Selbststeuerung, um sich als Organisation schneller und beweglicher an die Umwelt anzupassen. Welche Werte und welche Haltung sind mit dem Thema Agilität verbunden? Wenn es darum geht, sich schneller anpassen zu können, dann bedeutet dies nicht zwangsläufig „höheren“ Werten zu folgen.

In unserer heutigen schnelllebigen, digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt werden in Organisationen immer wieder folgende Dynamiken beschrieben:

  • „Immer mehr Stakeholder sprechen mit, sie sind vernetzter und umfassender informiert. Das macht das ganze komplexer.“
  • „Unsere Prozesse werden immer vielschichtiger. Wir schaffen immer mehr neue Regeln die (keiner) mehr überblickt und die nicht wirklich greifen.“
  • „Das Überangebot von Informationen und die wachsendenden Datenmengen, die zur Verfügung stehen sind verwirrend. Was ist richtig? Welcher Weg ist zu gehen? Es ist Ambivalent
  • „Es gibt eine Orientierungslosigkeit bei der zur Verfügung stehenden Methoden und Möglichkeiten zur Herangehensweise.“
  • „Entscheidungsfindung dauert zu lange. Der Entscheidungsprozess durch Ebenen bzw. Hierarchien ist umständlich und langwierig – äußere Entwicklungen sind schneller. Die Situation ist häufig eine andere wenn die Entscheidung dann getroffen ist“

Für Führungskräfte bedeutet dies auf der individuellen Ebene einer steigende Komplexität gerecht zu werden und zusätzlich täglich eine enorme Aufgabenfülle. Da wir uns in einer schnelllebigen Zeit befinden, kommt ein enormer Zeitdruck für Führungskräfte wie Mitarbeiter hinzu, da alles am besten sofort erledigt werden muss. Das verlangt jeden einzelnen ein hohes Maß an Flexibilität verbunden mit der permanenten Möglichkeit der Ansprache ab.

Führungskräfte wähnen sich heute zunehmend im Hamsterrad. Sie fühlen sich getrieben und die Wirkung dem etwas entgegenzusetzen verpufft häufig. Es erscheint, egal was unternommen wird, das Hamsterrad dreht sich immer nur noch schneller.

Wie bei all den Anforderungen aus einer guten Souveränität agieren? Wie die Dinge noch gestalten und nicht nur reagieren auf das was (dazu) kommt? Wie mit dem äußeren und zunehmend inneren Druck umgehen? Wie Grenzen setzen können und trotzdem der Organisation gegenüber loyal sein?

Es gilt nicht in Form von Automatismen, Impulsen, reflexartigen Verhalten aus einem „Überlebensmodus“ zu reagieren, Aus einem „Überlebensmodus“ zu handeln, bedeutet häufig im Kampf oder Angst Modus zu agieren oder zu Erstarren – also kaum Handlungsmöglichkeiten zu haben bzw. wahrzunehmen.
Automatismen nicht zu folgen heißt: Sich selbst und bewusst steuern zu können. Impulse wahr zu nehmen, die eigenen, inneren Muster zu kennen. Dies erfordert Klarheit, Bewusstsein und ein frühzeitiges Merken, wann man fremdgesteuert Automatismen und Impulsen folgt.

Mindful Leadership bedeutet, die immer wieder kehrende Reise zu sich selbst.

Es ist Bestandteil eines reifen „Ich`s“, zu sich selber auf Distanz gehen zu können um die eigenen Muster zu erkennen und zu reflektieren. sich selbst zu erkennen, im Hinblick auf weiterführende funktionale Verhaltensweisen, sowie auf dysfunktionale Verhaltensweisen.

Das reife „Ich“ reflektiert und hinterfragt eigene Muster und Haltungen. Inwiefern sind unsere Bilder auf Grund von Sozialisation geprägt worden? Möchte „Ich“ diesem Bild folgen oder beinhaltet es Werte, die ich nicht teile? In welchem Kontext befinde ich mich als Führungskraft und wie autonom kann ich in diesem Kontext sein? Wann gelingt es mir in einem starken „Ich“ zu bleiben und wann nicht? Was sind die eigenen Glaubenssätze, denen ich aus einem überkritischen „Eltern-Ich“ folge? Was sind meine Glaubenssätze, wenn ich mich nicht traue meine Meinung zu sagen? Wieviel Wertschätzung kann ich mir selbst gegenüber und auch anderen gegenüber zulassen? Gehe ich achtsam mit mir um? In welchen Situationen erlebe ich mich als hilflos und wie kann ich diesen Situationen aus einem starken „Ich“ begegnen? Wie gehe ich mit mir selbst um, wenn ich mich hilflos fühle? Stellt mein organisationaler Rahmen einen Rahmen von Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten bereit? Wo und wie kann ich mitgestalten? Wie unterscheide ich Anerkennung von Lob?1

Selbstreflexion in Organisationen zulassen und fördern

Organisationen auf dem Weg zur Selbststeuerung sind daher aufgefordert, einen Rahmen zur Selbstreflektion zur Verfügung zu stellen.2 Das betrifft auf der einen Seite die individuelle Selbstreflexion und auf der anderen Seite die organisationale Reflexion. Selbstreflexion braucht Abstand vom operationalen Tagesgeschäft. Man kann nicht gleichzeitig im Teich schwimmen und aus einer Metaebene auf den Teich schauen.

Sich für Reflexion Zeit zu nehmen bedeutet sowohl individuell, wie auch als Team aus dem (operativen) Alltag heraus zu treten, Abstand zu gewinnen, sich durch bestimmte Leitfragen wesentlicher Themen anzunehmen und aus anderen Perspektiven zu betrachten. Dabei ist die Fähigkeit zu einem echten Dialog – nicht zu kontroversen Diskussionen – gefragt. Es gilt Zeit für Führungskräfte sowie Mitarbeiter bereitzustellen, in denen sie sich außerhalb des operativen Geschäfts bestimmten Fragen widmen können. In diesen Tagen oder Stunden gilt es nicht frei zu machen, sondern an anderen Orten durch Achtsamkeit und Ruhe zu einer neuen oder anderen Art der Betrachtung kommen zu können. Das kann in Form von meditativen Übungen passieren oder durch Bewegung z.B. in der Natur. Man kann sich seiner selbst bewusst werden, in dem man ohne Ablenkung, ohne Konversation mit laufenden inneren Fragen innehält.3

Literatur:

Walch, Sylvester: Vom Ego zum Selbst, O.W. Barth Verlag München 2011

Gergs, Hans-Joachim, Die Kunst zur kontinuierlichen Selbsterneuerung, Beltz Verlag Weinheim, 2016

Riedel-Schönfeld, Agiles Mindset größte Herausforderung auf dem Weg zur Agilität und Selbststeuerung?