Arbeiten mit der Szenariotechnik – Veränderungen auf Grund der zunehmenden Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft

In Zeiten wachsender Digitalisierung, turbulenter Märkte und disruptiver Entwicklungen stellt sich aller Ortens die Frage nach einer klugen strategischen Ausrichtung. Wie wird die Digitalisierung die Branche verändern? Ist es für die jeweilige Ausrichtung der Organisationen eine Chance oder wird die Positionierung bedroht? Branchenexperten gehen davon aus, dass die Digitalisierung die Immobilienwirtschaft nachhaltig prägen und vielleicht sogar revolutionär verändern wird.

Daher haben wir einen Workshop mit dem Titel „Strategieentwicklung in volatilen Zeiten – Arbeiten mit der Szenariotechnik“ in Kooperation mit der TU Berlin – Masterstudiengang Real Estate Management angeboten.

Der Workshop richtete sich an UnternehmerInnen, ManagerInnen und Projektverantwortliche in der Immobilienwirtschaft. Die TeilnehmerInnen kamen aus Architekturbüros, Wohnungsbaugesellschaften und einer Projektentwicklungs-GmbH. Die
Methode der Szenariotechnik war bei den Teilnehmern wenig bzw. gar nicht bekannt. Die Erwartungen an den Workshop und die Assoziationen zu der Methode waren sehr unterschiedlich geprägt. Folglich gab es Interpretationen der Szenariotechnik von einer Strategieentwicklung aus dem „Bauchgefühl“ bis hin zu „Science-Fiction-Drehbüchern“.

Woran erkenne ich gute Strategieentwicklung?

Um für das Thema zu sensibilisieren und ein erstes Kennenlernen zu ermöglichen, baten wir die TeilnehmerInnen sich in Minilabs zu folgenden Leitfragen auszutauschen.

  • „Woran erkenne ich eine gute Strategieentwicklung?“,
  • „Was ist meine Rolle und Verantwortung in Bezug auf Strategieentwicklung in meiner Organisation?“ und
  • „Was ist mein Anliegen zu dem Thema Strategieentwicklung in Bezug auf die voranschreitende Digitalisierung?“

Unser Anliegen war es, das Arbeiten mit der Szenariotechnik in seinen einzelnen Phasen zu vermitteln. Gleichzeitig wollten wir dafür sensibilisieren, dass es in unserer schnelllebigen und hochdynamischen Arbeitswelt darum geht, Zukunftsstrategien agil, das heißt im Hier und Jetzt kritisch zu hinterfragen und diese an die sich verändernden Umweltbedingungen iterativ anpassen zu können. Wir wollten dafür sensibilisieren, dass es nicht unbedingt eine wahre, langfristig gültige Strategie für die Zukunft gibt. Um iterativ anpassen zu können, braucht es unseres Erachtens unterschiedliche hypothetische
Szenarien und Trends, die fortwährend hinterfragt und nach Eintrittswahrscheinlichkeiten priorisiert werden. Daraus leiten sich Handlungsstrategien ab.

Welche Entwicklungen sind heute schon zu erkennen, wie relevant sind diese und wie sehr wird es die Branche beeinflussen?

Für diesen Workshop haben wir das Thema „Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft“ gewählt. In der ersten Phase „Themen- und Problemanalyse“, baten wir die TeilnehmerInnen, die sich nun in Arbeitsgruppen der „Projektentwickler-Developer“ und der „Architekturbüros“ zusammengefunden hatten, sich zu folgenden Leitfragen auszutauschen:

  • „Welche Entwicklungen in Bezug auf Digitalisierung sind bereits heute zu erkennen?“,
  • „Wie relevant/bedeutend ist es für die eigene Organisation bzw. Branche? Wie sehr wird es die Organisation bzw. Branche beeinflussen?“ und
  • “Woran machen Sie dies fest?“.

Zum Ende des Austauschs baten wir die Gruppen, mittels einer skalierenden Frage einzuschätzen, wie relevant die kommenden Veränderungen auf Grund von Digitalisierungen in ihren Organisationen/Bereichen sein werden. Die Projektsteuerer sahen die Relevanz auf einer Skala von eins bis zehn bei vier und die Gruppen der Architekturbüros bei neun.

Dimensionen der Einflussdynamiken

Schnell wurde es sehr konkret – in der 2ten Phase, der „Einflussanalyse“, galt es zu differenzieren, welche Einflussdynamiken identifiziert werden können und welche Auswirkungen diese haben werden. Die folgenden Dimensionen galt es zu hinterfragen:

  • „Welchen Einfluss wird die zunehmende Digitalisierung auf die Wettbewerber haben?“,
  • „Kommen neue Wettbewerber dazu?“,
  • „Wie könnten sich Anliegen und Anfragen der Auftraggeber verändern?“,
  • „Welches Know-How wird in Bezug auf IT und deren Anwendung in Zukunft erforderlich werden?“,
  • „Welche Kompetenzen brauchen Mitarbeiter in Zukunft?“,
  • „Welche Mitarbeiter mit welchen Kompetenzen werden in Zukunft gesucht?“,
  • „Welchen Einfluss wird die Digitalisierung auf gesetzliche Rahmenbedingungen haben?“.

Anschließend haben wir die Teilnehmer noch gebeten die Einflussfaktoren mit einem Minus- (bedrohlich) oder einem Pluszeichen (unterstützend) in Bezug auf ihre momentane Positionierung zu versehen. In der Anschließenden Reflexion zeigte sich, dass bei der Annahme, dass weitere Wettbewerber wie z.B. Technologiekonzerne auf Grund von Digitalisierung, Marktzutritt in der Immobilienbranche bekommen und damit auch Projektentwicklung ausführen könnten, so wird dies als bedrohlich empfunden. Folgen die TeilnehmerInnen der Annahme, dass der Wettbewerb konstant bleibt, so wird dies als förderlich wahrgenommen. Durch digitalisierte Prozesse wie BIM wird es möglich iterativ und schnell anzupassen und Risiken in Bezug auf Kosten, Zeit und Qualität damit zu minimieren.

Wie wird die Arbeitswelt von morgen aussehen?

Damit traten wir in unseren Mini-Workshop in die Phase 3 ein. Die Phase von „Faktorenbündelung und Trendprojektionen“. Hier galt es noch einmal zu reflektieren, was die Konsequenzen sein werden. Fließend ging es nun in die Phase 4, die „Entwicklung von Szenarien“, also möglichen Zukunftsbildern in einem bestimmten Zeitraum. Leitfragen
waren:

  • „Wie wird unsere Arbeitswelt von morgen in Bezug auf Sinn, Purpose und Fußspuren, die wir hinterlassen wollen, sein? “
  • „Wie wird unsere Arbeitswelt von morgen in Bezug auf Positionierung, Produkte oder Dienstleitung und Organisationsstruktur sein?

Gefragt war nach dem Zeitraum von bis zu 3 Jahren. Beide Gruppen, die Architekturbüros, sowie auch die Projektentwickler, entwickelten jeweils Szenarien, in denen Technologiekonzerne viele Leistungen sowohl in der Projektentwicklung, als auch in der Projektsteuerung übernehmen könnten. Die Hypothesen der beiden Arbeitsgruppen waren, dass Softwarelösungen und Programme wie BIM sich technologisch enorm weiterentwickeln. Auch wird das Thema KI dabei eine erhebliche Rolle spielen. So werden Technologiekonzerne, wie sie es heute bereits im Bereich der Automobilherstellung tun, auch in Bereiche der Immobilienwirtschaft vordringen. Folgt man der Hypothese, ergibt sich ein erheblicher Anpassungsbedarf an die eigene Positionierung, um in stark veränderten Märkten bestehen zu können.

Was gilt es zu tun – Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungsstrategien?

In der Phase 5 wurde nun nach „Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungsstrategien“ gefragt. Folgende Leitfragen wurden gesetzt:

  • „Welche strategische Ausrichtungen können Sie bereits jetzt schon ändern?“,
  • „Welche Prioritäten sind zu setzen?“

Denken auf Vorrat:

  • „Wie wollen Sie die Trends und Entwicklungen weiter erfassen, um schnell reagieren zu können?“
  • „Welchen leistbaren Verlust sind Sie bereit einzusetzen? (Zeit, Geld, Technik, Prozesse/WS`s?)“.

Alle Teilnehmenden waren sich darin einig, dass es unbedingt notwendig ist, rechtzeitig zu handeln und die Entwicklungen regelmäßig zu reflektieren.

So wurden u. a. folgende Handlungsempfehlungen herausgearbeitet:

  • Interdisziplinäre Strategiegruppen bilden, die aus den aktuellen Entwicklungen weitere Szenarien benennt oder bereits formulierte Szenarien modifiziert
  • Die eigene Positionierung in Bezug auf unterschiedliche Szenarien reflektieren
  • Positionierung, Strategien und Handlungsmöglichkeiten iterativ weiterentwickeln
  • Das völlig „Neue“ denken: Was wäre eine völlige Neuausrichtung in Bezug auf Positionierung?
  • Wenn Technologiekonzerne in Zukunft Projektentwicklung und Projektsteuerung übernehmen, was lässt sich davon nicht digital ableiten und welche Geschäftsfelder sind dann zu besetzen?
  • Eine Kapitaldecke bilden und bereitstellen, damit die Anpassung gelingen kann

In der Auswertung wurde deutlich, dass das rechtzeitige strategische Arbeiten in Form von verschiedenen Szenarien die Chance bietet, sich gut auf Veränderungen einzustellen, von diesen nicht überrascht zu werden oder gar handlungsunfähig zu werden, wenn Entwicklungen schon sehr weit vorangeschritten sind. Es bietet die Chance, sich mit Expertise und Erfahrungen für die Prozesse, Wechselwirkungen und Dynamiken, die sich
nicht digital abbilden lassen als schwer bzw. nicht ersetzbare Experten zu positionieren.

Die TeilnehmerInnen machten auch deutlich, dass Systeme sowie auch
Rahmenbedingungen, wie gesetzliche Gegebenheiten hinterfragt und neu gedacht werden müssten. Hier wurde z.B. die Gebührenordnung nach HOAI angesprochen, sowie die Kompatibilität technischer Voraussetzungen von unterschiedlichen Akteuren wie z.B. Schnittstellen von Organisationen in der Immobilienwirtschaft und den öffentlichen Institutionen.

In diesem Workshop wurde der Ansatz der Szenariotechnik rudimentär eingesetzt, um das Arbeiten mit diesem Modell interaktiv zu vermitteln. Ein Workshop um unterschiedliche Szenarien zu entwerfen, braucht auf der einen Seite eine gute Vorbereitung und die Möglichkeit mind. 1,5 Tage miteinander zu arbeiten.