Herausforderungen und Chancen

Die Anzahl der privaten Hochschulen in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt, die Anzahl der an privaten Hochschulen eingeschriebenen Studierenden verdreifacht. Inzwischen ist fast jede vierte Hochschule in Deutschland privat.

Im Rahmen der neuen Hochschulpolitik wird privaten Universitäten und Hochschulen häufig eine Innovationsfunktion zugeschrieben. Freiräume gegenüber staatlicher Regulierung sowie die unmittelbare Relevanz von Wettbewerbsfähigkeit für das Überleben bringen demnach eine Effektivitäts-, Effizienz- und im Ergebnis Qualitätssteigerung mit sich.

Private Hochschulen als Dienstleistungs-, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen

Um aber überlebensfähig zu sein, müssen private Hochschulen den sehr schwierigen Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, wissenschaftlichem Renommee und Praxisbezug hinbekommen. Hinzu kommt die etwas widersprüchliche Rolle der Studenten als zahlende Kunden und Auszubildende. Die große Mehrheit der privaten Hochschulen in Deutschland finanziert sich überwiegend über Einnahmen aus Studiengebühren.

Als Qualifizierungseinrichtungen müssen private Hochschulen aber ihre Studenten bewerten und nicht nur bewirten. Private Universitäten und Hochschulen sind, mit anderen Worten, zugleich Dienstleistungs-, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen. Im Ergebnis hängt der Erfolg privater Hochschulen im erheblichen Maße davon ab, inwiefern es ihnen gelingt, die aus diesen zum Teil konfligierenden Anforderungen resultierenden Spannungen zu lösen.

Wie kann qualitativ hochwertige Lehre im Kontext der branchenspezifischen Anforderungen, im Rahmen der eigenen finanziellen und fachlichen Möglichkeiten und in Abgrenzung zum Angebot anderer privater und staatlicher Hochschulen definiert werden? Welche Rolle spielen dabei wissenschaftliche Kriterien der Relevanz und Gültigkeit? Welche Kriterien der Anwendungs- und Praxisrelevanz? Was folgt daraus für die Ausrichtung der eigenen Forschungsschwerpunkte sowie für die eigene Positionierung in der deutschen Hochschullandschaft?

Private Universitäten und Hochschulen als Expertenorganisationen

Die Herausforderung einer gelungen Strategieentwicklung in privaten Hochschulen hängt jedoch nicht nur mit ihrer Eigenschaft als Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Sie basiert auch auf ihre Eigenschaft als Expertenorganisation.

Die Formulierung übergreifender Ziele ist eine nicht delegierbare Aufgabe der Hochschulleitung. Nicht die Hochschulleitung, sondern die in den jeweiligen Bereichen tätigen Professoren und Dozenten sind die eigentlichen Experten für ihre Fachbereiche. Nur sie besitzen die für eine wirklich erfolgversprechende Strategieentwicklung notwendigen Detailkenntnisse aktueller Entwicklungen im Hinblick auf die methodischen und inhaltlichen Entwicklungen, branchenspezifischen Anforderungen sowie den damit einhergehenden didaktischen Herausforderungen.

Erforderlich ist also ein Strategieentwicklungsprozess, welcher dazu in der Lage ist, diese dezentrale Expertise einzubeziehen. Nur dann können fachbereichs- und branchenspezifische Trends frühzeitig erkannt werden. Nur dann kann eine auf die je spezifischen Kompetenzen und Stärken der Organisation abgestimmte Strategie entwickelt werden, welche als Brücke zwischen der Gegenwart und der Zukunft fungiert.

Die Autonomieansprüche der Hochschulmitglieder

Ein partizipativer Strategieentwicklungsprozess ist allerdings nicht allein aufgrund der Eigenschaft von Hochschulen als Expertenorganisationen erstrebenswert. Immer wieder scheitern Bemühungen der Hochschulleitung eine Identifikation mit den Zielen und Interessen der Hochschule unter den Hochschulmitgliedern zu etablieren an den Autonomieansprüchen der Dozenten und Professoren – Ansprüche, die nicht nur tief in dem kulturellen Selbstverständnis deutscher Wissenschaftler, sondern auch strukturell verankert sind.

Die Wertschätzung, welche Dozenten und Professoren auch innerhalb ihrer eigenen Hochschule erfahren, hängen ebenso wie ihre Karrierechancen nämlich maßgeblich von ihrer Reputation in der eigenen wissenschaftlichen Gemeinde ab. Im Ergebnis sind Fach- und Disziplinzugehörigkeiten, welche quer zu den organisationalen Grenzen von Hochschulen verlaufen, von zentraler Bedeutung für Hochschulmitglieder –  und zwar sowohl auf der Identitätsebene als auch im Hinblick auf ihren strategischen Interessen.

So ist die Identifikation mit den organisationalen Zielen der Hochschule keineswegs selbstverständlich. Als Expertenorganisationen sind Hochschulen auf die aktive Teilnahme ihre Mitglieder an die Realisierung ihrer Strategie angewiesen. Steuerungsimpulse, welche nicht dazu in der Lage sind, eine intrinsisch motivierte Orientierung an diese Ziele zu generieren, sind bestenfalls dazu verurteilt, einen schnell verebbenden Aktionismus loszutreten. Schlimmstenfalls rufen sie Abwehrstrategien und subversives Verhalten hervor.

Die organisationalen Komplexität privater Hochschulen als Chance für Strategieentwicklung

Um das Potential von Strategieentwicklung für die Realisierung organisationaler Ziele sinnvoll einzusetzen, ist es unabdingbar den Strategieentwicklungsprozess so zu gestalten, dass er der spezifischen Komplexität von privaten Hochschulen Rechnung trägt.

Ausgangspunkt eines gelungenen Strategieentwicklungsprozesses an privaten Hochschulen ist m.E. die Thematisierung unterschiedlicher Anforderungen und Erwartungen. Die Offenlegung von teils unbewussten Differenzen beugt den mit ihrer Tabuisierung oft einhergehenden strategischen Spielen vor. Zugleich eröffnet diese Art Strategiediskussion einen Raum, in dem Kompromisse ausgehandelt werden können – und zwar sowohl hinsichtlich Interessenskonflikten als auch im Hinblick darauf, wie effektiv konkrete Maßnahmen und wie wünschenswert bestimmte Ziele sind.

Zugleich zeichnen sich bislang unerkannte Zusammenhänge zwischen den z.T. unterschiedlichen Anforderungen und Zielen aus den sich Möglichkeiten der gegenseitigen Befürchtung ergeben. Ziel ist den Zusammenhang unterschiedlicher Anforderungen auch im Hinblick auf ihre Wechselwirkung zu verstehen. Die systematische Analyse von Zielen, Erwartungen und Anforderungen bildet die Grundlage für die Entwicklung eines auf einander abgestimmten Maßnahmenbündels. Ziel ist die Entwicklung einer Strategie, bei der, wie bei einem Zahnrad die einzelnen Maßnahmen eine Kraft entfalten, die sich positiv auf die Wirkung der Anderen überträgt.

Voraussetzung der Entwicklung und Realisierung einer solchen in sich stimmigen Strategiearchitektur ist die Partizipation der entsprechenden Hochschulmitglieder.

Welche übergeordneten, organisationalen Ziele können durch die Hochschulleitung abgesteckt werden? In welchen Hinsichten sind hingegen Impulse für den Strategieentwicklungsprozess aus welchen Expertenfeldern wünschenswert? Wer sind die potenziellen Nutznießer der geplanten Veränderungen? Wer hat hingegen ein Interesse am Erhalt der Status Quo? Welche Fachbereiche, Personengruppen oder Akteure sind entscheidend für das Gelingen der Veränderungsprozesse?

Auf der Grundlage der Beantwortung dieser Fragen, können die Teilnehmer der Strategiediskussion sowie der thematische Rahmen ihrer Partizipation bestimmt werden.

Um dem Potenzial von Strategieentwicklungsprozessen an privaten Hochschulen gerecht zu werden, bieten wir neben traditionellen Formen der systemischen Strategieberatung Strategieworkshops an.

Diese auf die aktuellen strategischen Herausforderungen und spezifischen Ziele der jeweiligen Organisation maßgeschneiderten Workshops fungieren als wirksames Aktivierungs- und Koordinationsinstrument sowie als innovativer Impulsgeber. Zudem planen wir eine Erhebung, in der Hochschulmanager verschiedener Ebenen zu den spezifischen organisationalen Bedingungen und Anforderungen von Forschung und Lehre an privaten Hochschulen sowie den Implikationen für die Strategieentwicklung befragt werden.

Dr. Arlena Jung – Systemische Organisationsberaterin