Unternehmenskultur – Jedes Unternehmen hat die Kultur, die es verdient! Warum man Unternehmenskultur nicht verändern kann und wie es dennoch gelingt!
Zusammenfassung

Unternehmenskultur ist wie ein Geruch, den ich nach einer gewissen Zeit nicht mehr wahrnehme. Die Veränderung ist allerdings deutlich aufwendiger, als das Versprühen von Parfüm. Gegenwärtig wollen viele Unternehmen nach Innovation riechen. Warum das nicht so einfach geht und was dennoch möglich ist, erläutern wir mittels des 4-eckigen Dreiecks und einem Praxisbeispiel zur Besprechungskultur.

Wir wollen eine Innovationskultur

Das Thema Unternehmenskultur erhält momentan viel Aufmerksamkeit in der Wirtschaft und den Medien. Zum einen, weil Skandale wie bei VW die Werte und Normen einer Organisation in Frage stellen. Zum anderen, weil Unternehmen immer mehr Innovationsdruck und Anpassungsdruck verspüren. Dann ist die Rede von Innovationskultur. Eine Reise ins Silicon Valley oder durch die Berliner Start-up Szene lässt die Reisenden nicht selten mit einem begeisterten, aber nicht greifbaren Eindruck zurückkehren. Geschäftsführer und Manager spüren vor Ort etwas in dem Umgang der Mitarbeiter untereinander, in der Sprache, im Ambiente und der Atmosphäre. Das will man dann auch für die eigene Organisation. Es lässt sich jedoch nicht greifen, darum sprechen wir häufig von der Kultur.

Was ist Kultur

Es ist ja auch so, dass wir eine Kultur besonders dann wahrnehmen, wenn wir in eine neue Kultur kommen. Gerade die Beobachtung des Unterschiedes macht auch die Merkmale unserer eigenen Kultur deutlich. Alle die einmal längere Zeit im Ausland verbringen, werden durch Beobachtung der neuen Kultur auch mehr Erkenntnisse über die eigene erlangen. Jedoch bleibt das gesamte Konstrukt Kultur für uns nicht greifbar. Das spiegelt sich auch in den vielzähligen Versuchen einer Definition von Organisationskultur wider.

Bilder von Unternehmenskultur

Eine, wie wir finden, recht treffende Metapher für Unternehmenskultur ist der Geruch. Man nimmt ihn wahr, wenn man einen Raum betritt. Doch sobald man einige Zeit in dem Raum verbracht hat, entzieht er sich unserer Wahrnehmung. Eine tolle Rede zu dieser Metapher für Unternehmenskultur ist diese hier: https://www.youtube.com/watch?v=UUddgE8rI0E

Drei weitere tolle Bilder (Pfad im Urwald, Brettspiel-Regel, Schatten) für Unternehmenskultur und die entsprechende Kritik daran, gibt es auch hier von Mark Poppenborg und unserem intrinsify.me Netzwerk zu lesen: http://intrinsify.me/Blog/items/was-ist-unternehmenskultur.html

Definition von Unternehmenskultur

Wenn wir es etwas rationaler angehen, dann ist eine für uns hilfreiche Definition, die von Ed Schein: „Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit Problemen weitergegeben wird“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Organisationskultur). Hier wird deutlich, dass die Grundannahmen, die die Muster der Kultur ausmachen, aus dem Tun erlernt worden. Ebenso wichtig, dass diese Muster zu erfolgreichen Lösungen geführt haben, also eine relevante Funktion für die Organisation haben.

Kultur lässt sich nicht direkt verändern und was wir dennoch tun können

Gehen wir also von dieser Interpretation der Definition aus, dann lässt sich eine Kultur auch nur im Tun verändern. Und auch nur dann, wenn die Veränderung im Tun eine relevante Funktion hat, die von den Akteuren wahrgenommen wird. Für uns bedeutet dies, dass Kultur nie direkt veränderbar ist! Ich kann nicht sagen, ich wechsele jetzt von dieser Kultur in die nächste. Ich kann nur Muster beobachten und diese aufbrechen (irritieren) und versuchen, neue Muster durch Interventionen zu etablieren. Die Kultur wird dann folgen – Jedes Unternehmen hat die Kultur die es verdient.

Das 4-eckige (Kultur) Dreieck

Deutlich wird diese Unmöglichkeit der kulturellen Steuerung von der Beratergruppe Neuwaldegg in dem 4-eckigen Dreieck dargestellt. Der Kern des Dreiecks, die Kultur ist nicht direkt berührbar. Direkten Einfluss kann ich in einer Organisation nur auf die Ecken des Dreiecks nehmen. Das heißt, ich kann Programme, wie z.B. Strategie 2025, Gesundheitsmanagement, Führungskräfteentwicklung, Compliance, Bonusprogramme, usw. verändern. Ich kann Prozesse überdenken und anpassen, ich kann Strukturen schaffen oder bestehende verändern. Und ich kann Personen austauschen, befähigen, zu Reflexion einladen, zusammenbringen, usw. All diese Veränderungen, stehen immer in Wechselwirkung zueinander und haben einen Einfluss auf die Kultur. Die Kultur wiederum hat einen Einfluss auf alle 3 Ecken. Welchen, kann ich jedoch nicht mit Sicherheit vorhersagen. Ich brauche also Hypothesen über die Wechselwirkungen und die Muster die sich etabliert haben. Danach kann ich anfangen, Impulse an den drei Ecken zu setzten, um Veränderung anzustoßen. Die Veränderung der Kultur kann ich dann wiederum nur von außen beobachten. Ich versuche das mal, an dem folgenden Praxisbeispiel deutlich zu machen.

Praxisbeispiel: Besprechungskultur verändern

Die Situation

Im Folgenden beschreiben wir einen Fall, der stellvertretend steht, für die Erfahrungen, die wir immer wieder in unserer Arbeit über verschiedenste Organisationen hinweg machen:

Ein Geschäftsführer eines Projektmanagement Büros mit ca. 60 Mitarbeitern wünscht sich, die Besprechungskultur in seinem Unternehmen zu ändern. Er beschreibt die Ausgangssituation ungefähr so: „In den Meetings fehlt es an Konzentration. Ständig schauen die TN auf ihre Handys und cheken ihre E-Mails. Dadurch müssen Inhalte regelmäßig wiederholt werden und ich bin mir nicht sicher, ob sich alle tatsächlich merken, was wir besprochen haben. Zum Glück haben wir dafür mittlerweile einen Protokollanten. Es ist natürlich wichtig, dass die Protokolle genau und ausführlich genug sind, damit diejenigen, die abgelenkt sind, im Nachgang wenigstens alle Informationen nochmal nachlesen können. Sonst müsste ich mit denjenigen wieder darüber reden, was mich noch mehr Zeit kostet. Ich muss mich schon um alle Projekte kümmern und hab also sowieso schon nie genug Zeit. Leider dauert das Erstellen des Protokolls in seiner Ausführlichkeit etwas länger, wodurch es auch im Meeting zu Verzögerungen kommt, weil Dinge wiederholt werden müssen oder der Protokollant nicht schnell genug hinterherkommt. Ich würde unsere Besprechungskultur als recht unkonzentriert, etwas zerfahren und auch egoistisch beschreiben. Vor einiger Zeit habe ich das Thema angesprochen und eine Vereinbarung treffen lassen, dass wir mit mehr Interesse und Aufmerksamkeit an dem Meeting teilnehmen. Ich habe gesagt, wir wollen eine Besprechungskultur die sich von einem gemeinsamen Interesse an der Sache und dem Unternehmen auszeichnet und von Respekt und Innovation geprägt ist. Ich habe sogar alle diese Vereinbarung unterschreiben lassen und die hängt nun auch im Besprechungsraum. Auch die Handys haben wir in den Besprechungen verboten.“

Den Effekt der Veränderungen beschreibt er dann nach einiger Zeit so: „Also, dass keiner mehr mit dem Handy spielt ist klar, aber irgendwie habe ich mir etwas anderes vorgestellt unter gemeinsamen Interesse und Innovation. Wir besprechen alle Projekte im Meeting und alle Projektleiter sind anwesend, aber sprechen tun eigentlich fast immer nur ich und der Projektleiter, dessen Projekt wir gerade besprechen. Was ich aber eigentlich will, ist, dass die anderen sich auch mit Lösungsvorschlägen beteiligen oder Ideen haben, die uns weiterhelfen.“

Analyseergebnisse

Eine Analyse (z.B. Interviews mit Projektleitern, Dialog mit GF) mit dem 4-eckigen Dreieck als grundlegende Perspektive auf eine Unternehmenskultur, könnte folgende Beobachtungen liefern: Es existiert ein Bonusprogramm in dem Büro, das die Projektleiter belohnt, wenn diese früher als geplant bestimmte Meilensteine erreichen. Beim Betrachten der Prozesse zeigt sich, dass der Geschäftsführer sich immer über alle Projekte einen Überblick verschaffen möchte und an Entscheidungen beteiligt werden möchte. Bei der Größe des Büros, kostete das enorm viel Zeit und bedeutete auch, dass die Projektleiter Phasen haben, in denen Sie nicht handlungsfähig sind, weil noch eine Entscheidung des Geschäftsführers aussteht. Aus Interviews mit den Projektleitern ergibt sich die Beobachtung, dass das Meeting generell als Zeitverschwendung empfunden wird, da es nur dazu dient, den Geschäftsführer auf den aktuellen Stand zu bringen. Außerdem wird deutlich, dass die Projektleiter unter großem Zeitdruck stehen und ständig erreichbar sein müssen, um auf Veränderungen reagieren zu können. Da sie nun ihre Handys nicht mehr in dem Meeting nutzen können, ist das Hauptziel, das Meeting so schnell wie möglich zu beenden. Die beste Möglichkeit das zu erreichen, ist es, keine Fragen zu stellen und keine Diskussionen zu beginnen.

Veränderungsansatz

Das Ziel des Geschäftsführers ist es, eine Kultur zu kreieren, die von gemeinsamen Interesse an dem Ganzen sowie einem lösungsorientierten und innovativen Miteinander gekennzeichnet ist. Die Beobachtung und Analyse der Situation erlaubt die Hypothese, dass (Bonus)Programme, teilweise ineffiziente Prozesse und eine durch die Person des Geschäftsführers geprägte Kontrolle der Projektleiter, möglicherweise zu einer Ausrichtung des Handelns und Denkens führen, die dem individuellen Interesse, also dem eigenen Projekt die oberste Priorität zuschreibt. Raum darüber hinaus ist in dem schnelllebigen Projektgeschäft womöglich nicht gegeben. Die Besprechung hat demnach aus der Perspektive der Projektleiter eine geringe bis keine nützliche Funktion.

Von dieser möglichen Hypothese ausgehend, wäre ein möglicher Ansatz zur Veränderung der Besprechungskultur, das Bonussystem zu ändern und den Bonus abhängig vom Gesamterfolg des Büros, bzw. der Projekte zu machen. Um den Geschäftsführer auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen, bietet sich eine Stehung an, die z.B. einmal pro Woche an einem Scrum/Kanban ähnlichen Brett gemacht wird. Ein zeitlicher Rahmen wird gegeben und strikt eingehalten. Es geht also nicht darum, die Diskussion zu fördern, sondern so knapp wie möglich und dennoch nützlich die Informationen zu teilen. Die Diskussion über Lösungen können im Anschluss selbststeuernd zwischen den Projektleitern, für die es Relevanz hat, stattfinden. Wenn es darüber hinaus noch weiteren Austausch zu gemeinsamen Innovationen geben soll, dann bedarf dies einem weiteren Format mit klarer Zielstellung. Es könnte z.B. einmal im Quartal ein Workshop stattfinden, in dem man mit speziellen Methoden an der Weiterentwicklung oder gemeinsamen Problemen arbeitet. All dies würde vermutlich noch dadurch unterstützt, dass der Geschäftsführer sukzessive Entscheidungsbefugnisse und somit Verantwortung an die Projektleiter weitergibt.

Fazit

An dem Beispiel soll deutlich werden, dass eine gewünschte Veränderung der Kultur nicht direkt durch Regeln oder Vereinbarungen steuerbar ist. Die Besprechungskultur in diesem Beispiel hat sich durch die Wechselwirkungen von Prozessen, Personen und Programmen etabliert. Durch die Veränderung dieser, wirke ich auf die Kultur. Ob ich dann die Kultur erhalte die ich mir wünsche, kann ich dann auch noch nicht wissen, aber ich erhalte Einflussmöglichkeiten. Wie diese greifen, also welcher neue Geruch entsteht, kann ich wieder nur beobachten.

Autor – Dr. Philipp Philippen